Seit wir Anfang letzten Jahres in unser Eigenheim gezogen sind, bastel ich mich Stück für Stück meine Homematic zusammen und automatisiere Abläufe. Da ich zu dem Zeitpunkt schon ein Plug-In-Hybrid Firmenwagen hatte und wir sowieso etwas unabhängiger vom Stromnetzbetreiber werden wollten, stand schon zum Kaufzeitpunkt fest, dass wir in naher Zukunft eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach packen werden.
Da die Bundesregierung noch netterweise Wallboxen mit 900€ fördert war klar, dass diese entsprechend intelligent per PV-Überschussladen an die PV-Anlage angeschlossen werden soll.
PV-Überschuss WAS?
PV-Überschlussladen beschreibt, dass überschüssiger Strom, welcher weder gerade selber verbraucht, noch in einen eigenen Batteriespeicher eingespeist wird und demnach an den Netzbetreiber verkauft werden würde, dafür verwendet wird, ein Elektroauto zu laden.
Der Ladevorgang ist dabei dynamisch auf Basis des zum jeweiligen Zeitpunkt überschüssigen Stroms.
Beispiel: Es ist 11:00h Mittags und ich produziere aktuell 5000 W Strom. Der Batteriespeicher ist voll und ich verbrauche 1000 W Strom für diverse Haushaltsgeräte. Demnach sind 4000 W Überschuss vorhanden. Das Elektroauto wird also mit PV-Strom mit zB 16A (1 Phasig) geladen (230V*16A=3700 W)
11:30h Kurz darauf wird Mittagessen zubereitet und der Herd angeschaltet. Der Hausverbrauch liegt damit bei 2500 W bei gleicher Produktion von 5000 W, also ist der Überschuss nur noch 2500 W. Die Ladeleistung des Elektroautos wird auf 10A gedrosselt (230V*10A=2300 W)
11:45h Durch eine Wolke sinkt die Produktion auf 2500 W. Da im Haus schon 2500 W verbraucht werden, ist kein Überschuss mehr vorhanden. Die Wallbox stoppt den Ladevorgang bis wieder genügend Überschuss vorhanden ist.
Phase 1: Vorbereitung
Als Vorbereitung war tatsächlich bei uns nicht viel zu tun. Die Batterie kommt in den Keller wo auch der Zählerschrank steht, also musste nur ein Kabelkanal gelegt werden. Der Glasfaser-ONT ist ebenfalls im gleichen Kellerraum.
Einzige handwerkliche Notwendigkeit war das Verlegen der Leerrohre für Wallbox und PV. Da die Wallbox 3-Phasig ist, ist ein entsprechender Leitungsquerschnitt von min. 5x2,5mm empfohlen. Die PV selbst hat 3 Leitungen, welche zum Wechselrichter und der Batterie in den Keller gehen.
Also haben wir uns für eine 62mm Kernbohrung von der Garage schräg nach unten in den Keller entschieden. Da passen dann locker 1xDN25 Leerrohr für die WB + 3xDN16 Leerrohre rein.
Bis auf die Sauerrei beim Bohren lief da auch alles glatt
Phase 2: Anbindung Wallbox
Nach langem Suchen nach einer geeigneten, förderfähigen Wallbox habe ich mich für einen go-eCharger HOMEfix11kW entschieden.
Neben der Förderfähigkeit waren folgende Kriterien ausschlaggebend:
- Ganz klar: Möglichkeit, den Charger intelligent anzusteuern, um einstellen zu können ob und wie viel A geladen werden soll Hier hat mich die Cloud Anbindung sowie die offene HTTP API Schnittstelle (MQTT/REST/Modbus TCP) auch überzeugt.
- WLAN: Ich wollte nicht noch ein extra Kabel ziehen - zumal Strom und Datenkabel ja nicht in das gleiche Leerrohr dürfen und ein Heimrouter nicht im Keller steht.
- Preis/Leistung: Es gibt mit Sicherheit Wallboxen, die viel mehr können als der go-e. Aber mit ca. 650€ ist er für die angebotene Leistung unschlagbar
Es gibt zwar die Möglichkeit, einen Cloud Dienst für das PV-Übschussladen zu verwenden (zB https://www.ev-autocharge.com/), allerdings behalte ich lieber meine Daten und die Kontrolle zu Hause in meinem eigenen Netzwerk. Die Ersteinrichtung ist kinderleicht und sollte für jeden hier mit der gelieferten Anleitung + App machbar sein - darum geh ich darauf nicht ein.
Auslesen von Daten
Nun kommt der spannende Teil: Der Einbindung in die Homematic und Node-Red.
Die Daten bekommt man über einen einfachen HTTP GET Request unter der IP der WB http://x.x.x.x/status und kann sie in NR in ein JSON Objekt packen. In der Doku der API (https://github.com/goecharger/go-eCharger-API-v1) ist beschrieben, was die einzelnen Werte bedeuten.
Zu erst einmal die Werte raussuchen, die für einen interessant sind, zB. der Mode (An/Aus), die aktuelle Ladeleistung, die eingestellten Ampere, mit denen geladen werden soll etc. pp., dazu die passenden Systemvariablen in Homematic erstellen.
Dann die entsprechenden Werte aus dem payload auslesen und ggf. noch umwandeln (zB bei der Energiemenge des letzten Ladevorganges von Deka-Watt-Sekunden in kWh)
Steuern der Wallbox
Auch das Steuern der WB ist einfach: Über http://x.x.x.x/mqtt?payload=[param]=[value] können einzelne Parameter verändert werden.
Für den Anfang habe ich 2 Steuerungsmöglichkeiten genutzt:
Das Ein- und Ausschalten der WB. Ich habe einen der virtuellen Taster der CCU3 dafür verwendet. Dabei wird danach aus der SysVar in HM ausgelesen, ob die WB eingeschalten (mod=1) oder aus (mod=2) ist. je nachdem wird der Befehl zum ein/ausschalten per http gesendet und die SysVar in HM aus den entsprechend anderen Wert gesetzt
Als zweites hab ich den für die Steuerung wichtigsten Wert eingepflegt: Das Setzen der Ampere, mit denen die WB arbeiten soll. Hier habe ich mir aktuell noch manuell einen Regler in der AIO Remote NEO App gebaut, der dann dieAmpere SysVar ändert. Die Änderung stößt einen http call an, welcher den Wert aus payload übergibt. Die WB wird auf die entsprechende Ampere Zahl geregelt.
Speicherung Ladevorgänge
Die Abrechnung eines Dienstwagens bzgl. Ladevorgänge scheint bei unserer Firma leider noch in den Kinderschuhen zu stecken. Der aktuelle Prozess sieht vor, dass ich jeden Ladevorgang und den aktuellen KM-Stand des Fahrzeugs in einer Excel nachverfolgen muss.
Das manuell zu machen war mir zu blöd, darum hab ich überlegt, ob ich das Excel nicht auch automatisch ausgeben lassen kann. Am Ende bin ich bei einer Datenbank gelandet, in die ich die ganzen Ladevorgänge schreibe. Dazu mal testweise eine Azure SQL DB aufgesetzt.
UPDATE 16.05: Da mir die Azure SQL auf Dauer zu teuer werden würde, bin ich auf Google Firebase umgestiegen. Die ist für meine Zwecke dauerhaft kostenlos und absolut ausreichend. Außerdem ist die API leichter einbindbar.
Wenn die WB nun meldet "Ladung beendet", dann wird der aktuelle KM-Stand des Fahrzeugs ausgelesen, genauso wie die letzte geladene kWh-Menge aus der WB und zusammen mit einem Timestamp in die DB geschrieben. Das das nicht 100% steuerrechtskonform ist weiß ich auch, aktuell reicht der Prozess aber so. In Zukunft werde ich dafür dann wohl das S0-Interface meines geeichten Zwischenzählers nutzen (wenn es hierfür mal eine vernünftige HM Komponente gibt)
Phase 3: Aufbau PV Anlage
Diese Woche (Stand 16.05.2021) waren die PV Monteure da und haben PV Anlage und die Technik im Keller (Wechselrichter, Sonnen Batterie) installiert. Nach ca. 2 Arbeitstagen war alles fertig. Nun warte ich noch auf den Netzbetreiber, der den neuen 2-Richtungszähler installieren muss, bevor ich das ganze in Betrieb nehmen darf.
Auf die Sonnenbatterie kann man trotzdem schon zugreifen auch, wenn die Anlage noch nicht am Netz hängt. Dies ist am einfachsten über ein HTTP Call auf
Code: Alles auswählen
http://<IP_der_Batterie>:8080/api/v1/status
Phase 4: Königsdisziplin: Das Überschussladen
Soweit, so einfach. Nun kommt der kompliziertere Teil.
Vorneweg sei gesagt, ich hab überlegt, das Überschussladen in einem Homematic Programm abzubilden. Aufgrund der vielen Variablen und Verzweigungen bin ich aber zum Schluss gekommen, dass sich das in Node Red/RedMatic deutlich besser realisieren lässt.
Programablauf:
1. In einem Intervall von 150 Sekunden fragt das Skript den Status der Wallbox ab (Werte 1-4: Eingeschalten ohne Fahrzeug, Läd Fahrzeug, Fahrzeug angeschlossen und warte auf einschalten, Ladung beendet und Fahrzeug noch angeschlossen). Basierend auf dem Ergebnis wird dann ein Pfad gewählt:
1. Kein Fhzg. angeschlossen -> Prüfe, ob Status = EIN. Wenn ja, dann schalte WB aus.
4. Ladung ist beendet -> Warte 60 Sekunden (Damit Ladevorgang in Ruhe in DB geschrieben werden kann), dann schalte WB aus.
3. Fhzg. angeschlossen, aber noch kein Ladevorgang gestartet (WB = AUS) -> Prüfe anhand Wert GridFeedIn_W aus SonnenBatterie, wieviel Überschuss vorhanden. WENN Überschuss > 4000kW -> WB Einschalten + Auf 16A setzen. WENN > 3000kW -> WB EIN+ 12A ...usw.
4. Wenn das Fhzg. bereits Läd -> Prüfe, ob Überschuss Positiv (heißt, es ist noch weiterer Überschuss neben dem bereits verwendeten vorhanden) oder negativ (es wird mit mehr Ampere geladen, als Überschuss vorhanden). DANN finde heraus, mit wieviel Ampere die WB läd. Entscheide anhand dieses Wertes + des Überschusswertes, auf welche Amperezahl die WB gedrosselt werden soll, bzw. ob sie vorübergehend ganz abgeschaltet wird.
Jetzt heißt es nur noch warten, bis die Anlage in Betrieb genommen werden darf